Herbsttag
Rainer Maria Rilke
Herr: es ist Zeit, Der Sommer
war sehr gross.
Leg deinen Schatten
auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren
Laß die Winde los.
Befiel den letzten Früchten
voll zu sein;
gib ihnen noch zwei
südlichere Tage
dränge sie zur Vollendung hin
und jage
die letzte Süße
in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat,
baut sich keines mehr,
Wer jetzt allein ist,
wird es lange bleiben,
wird wachen, lessen,
lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen
hin und her
unruhig wandern,
wenn die Blätter treiben,
Jetzt reifen schon die roten
Berberitzen
Alternde Astern
Atmen schwach im Beet
Wer jetzt nicht reich ist,
da der Sommer geht,
Wird immer warten
und sich nie besitzen.
Wer jetzt nicht seine Augen
Schließen kann,
Gewiß, das eine Fülle von Geschichten
in ihm nur wartet bis
die Nacht begann,
Um sich in seinem Dunkel
aufzurichten:-
Der is vergangen
wie ein alter Mann.
Dem kommt nichts mehr,
Dem stößt kein Tag mehr zu,
Und alles lügt ihn an,
Was ihm geschieht,
Auch du, mein Gott,
Und wie ein Stein
Bist du,
Welcher ihn täglich
in die Tiefe zieht.
Autumn Day
Rainer Maria Rilke
Lord: it is time. Summer
has had its greatness.
Lay your shadows
on the sun dials
and let the winds blow
upon the meadows.
Command the last fruits
to be full;
Give them another two
southerly days.
Push them to completion
and hunt
The final sweetness
into the heavy wine.
Whoever has no house now,
will never build one,
Whoever is alone now,
will long remain so,
will watch, read,
write long letters,
and will wander disconsolately
here and there
in the avenues,
when the leaves are driving.
Already now
the red berberises are ripening.
Aging asters
breathe weakly in their bed.
Whoever is not rich
now that summer is passing
will wait for ever
and never realize his ambitions.
Whoever cannot
close his eyes now,
Certain that a host of stories
is only waiting within him until
night should fall,
in order to support him
in his darkness:-
He is past it
like an old man.
To him comes nothing more,
To him no further day is granted.
And everything that happens
deceives him.
You too, O God.
And you are
like a stone
That draws him daily deeper
into the depths.
Translation: © David Paley
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